2. August 2021

Alexander Van der Bellen

Bundespräsident der Republik Österreich

Gedenkrede zum 2. August 2020, Internationaler Gedenktag an den Holocaust an Sinti und Roma

Meine Damen und Herren!

Heute gedenken wir in Auschwitz-Birkenau der schätzungsweise 500.000 Roma und Sinti, die dem nationalsozialistischen Terror in Europa zum Opfer fielen. Heute vor 76 Jahren, am 2. August 1944, wurden die letzten 3 000 Menschen in Auschwitz-Birkenau ermordet. Frauen, Kinder, Säuglinge, Männer, Alte und Kranke. Auschwitz war das letzte Kapitel ihres langen Leidens.

Ich bin sehr froh, dass diese wichtige Gedenkfeier trotz COVID-19 stattfindet, und danke den verantwortlichen Organisatoren sehr dafür. Es ist wichtig, die Erinnerung an das schrecklichste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit wach zu halten. Das sind wir den Opfern schuldig. Wir sind es all jenen Roma und Sinti schuldig, die überlebt haben. Wir sind es ihren Nachkommen schuldig.

Man braucht nur an ein konkretes Schicksal im Lager Auschwitz zu denken, um die Unverständlichkeit des Rassenwahnsinns der Nazis offen vor Augen zu haben. Ich verstehe das heutige Gedenken vor allem als Auftrag, die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten. Als österreichischer Bundespräsident denke ich dabei besonders an meine Heimat Österreich.

Lange Zeit wurde das Schicksal der Roma und Sinti verdrängt, verschwiegen und vergessen. Ihre Kultur ist auch heute noch mit Klischees und Vorurteilen belastet. Die Zeitzeugen unter den Roma und Sinti, die berichten können, wozu Menschen in diktatorischen Zeiten fähig sind, werden immer weniger.

Im Jahr 2013 starb die österreichische Roma-Künstlerin Ceija Stojka. Sie wurde als Kind nach Auschwitz deportiert. Hier wurden ihr Bruder und mehrere Verwandte ermordet. Sie selbst überlebte. Bis ins hohe Alter ging sie in Schulen, um jungen Menschen ihre Geschichte zu erzählen. Ihre Kunstwerke wurden 2020 unter dem Titel "Das ist passiert" im berühmten Museo Reina Sofia in Madrid gezeigt.

Auch die zweite und dritte Generation von Roma und Sinti hält die Erinnerung aktiv wach. Zum Beispiel von dem österreichischen Schriftsteller Stefan Horvath. Seine Eltern überlebten mehrere Konzentrationslager, darunter Auschwitz. Sein eigener Sohn starb im Februar 1995 bei einem Rohrbombenanschlag eines Rechtsextremisten.

Die Menschen sind zunehmend daran interessiert, Gerechtigkeit für die Opfer zu suchen. Denkmäler werden errichtet oder fehlende Roma-Dörfer wieder aufgebaut. Ich selbst war im Januar dieses Jahres bei der Gedenkfeier für die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar dabei. Der offiziellen Delegation gehörte Manuela Horvath von der Roma-Pastoral unserer Landeshauptstadt Eisenstadt an.

Es war mir sehr wichtig, dieses Zeichen meiner Solidarität mit den Roma und Sinti zu setzen. Der heutige Europäische Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbock, Hass und Gewalt nie wieder als politische Instrumente eingesetzt werden.

"Nie wieder!" Nur so können wir dieses Versprechen wirklich einlösen.

Ich danke Ihnen.

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