2. August 2021

Philomena Franz

Holocaust-Überlebende

Erinnerungen von Philomena Franz an ihre Verfolgung anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktages am 2. August 2021

Meine Kindheit war wirklich gut. Ich bin gut aufgewachsen in meiner Familie. Ich war die Jüngste und bin verwöhnt worden und bin dann zur Schule gegangen. Ja und dann hat mein Bruder seinen Einrückbefehl gekriegt. Er war jetzt in dem Alter in dem er zum Militär musste und dann war der in Baden-Baden in der Kaserne und hat deine seine Arbeit, seine zwei jahre Wehrdienst abgeschlossen und dann war ausgebildeter Soldat und ist von da aus gleich sofort raus gekommen. Dann ist der Krieg ausgebrochen und er war mit in der ersten Gruppe, die an der Front war.

Ja und ich bin dann dienstverpflichtet worden, ich muss dann arbeiten in einer Fabrik. Wir haben einen Brief bekommen im Briefkasten, den habe ihnen gezeigt. Wir müssen auch die Gestapo, wir müssen Erkennungsdienst machen aber es ging immer gut. Weil ich den Bruder an der Front hatte. Da konnten die dann nicht so schlimm mit mir agieren. Aber die andere, die sind die alle täglich abtransportiert wurden. Die Juden, alle abtransportiert, also es war schon eine furchtbare Zeit. Ich weiß nicht was die Menschen davon gehabt haben. Es war grausam, aber dann war es ja so weit, dass dann eines Tages die Gestapo kam.

Mein Meister hatte Tränen in den Augen. Und dann hat er zu mir gesagt, und viel hat er sowieso nicht mehr gesagt: „Philo, unten stehen zwei und Herren, die wollen dich mal sprechen Aber ich hatte schon von oben von der aus Firma zum Fenster rausgesehen, da habe ich schon das Zeichen der Gestapo auf dem Auto gesehen. Da wusste ich, ich komme nicht mehr nach Hause. Ich sehe meine Mutter nicht mehr. Meine Mutter war dann allein zu Hause und ich kann nicht sagen, wie es ihr nachher ging.

Ich war dann in Auschwitz. Ich habe niemanden mehr gesehen, ich konnte auch gar nichts… Wir kamen ins Familienlager. Man konnte zwar kreuz und quer laufen, jeder überall in jeder Baracke reinlaufen um zu sehen und zu gucken ob da noch jemand da ist. Ich habe nochmal meinen Onkel mit seinen vier Kindern gesehen. Die Frau ist schon weggestorben, er war allein. Da habe ich gesagt: „Was machst denn du hier allein?“ Die Kinder sind alle ins Krematorium gekommen und nach dem Krieg habe ich auch keinen Onkel mehr gesehen, keine Kinder, nichts. Alles weg. Da kann man nichts sagen das war so grausam, da findet man keine Worte. Also, es ist unglaublich, unglaublich aber wirklich wahr.

Ich bin die einzige Zeitzeugin noch die schon so alt geworden ist und das alles hinter sich hat. Die noch gestempelt worden ist hier am Arm. Ich habe ja noch die Nummer hier. Hier; 10550. Das hat nicht mehr genügt, dass wir unsere Plakette vorlegen oder was, nein, sie mussten und wie die Viecher, haben sie uns abgestempelt. Sehen Sie, ich trage den Stempel immer noch am linken Arm heute. Ich bin noch eine Zeitzeugin und ich habe diese furchtbare Zeit mitgemacht. So und das habe ich mir vorgenommen, solange wenn ich hier rauskomme, dann werde ich niemals aufgeben Aufklärungsarbeit zu machen und das habe ich getan.

Also, ich habe das überall gemacht, in ganz Deutschland. Ich bin rumgereist und ich habe gedacht „Wer soll es sonst machen?“ es gibt wenige die noch rausgekommen sind, sich dagegen wehren konnten. Und ich habe die Schule besucht, ich konnte mich gut artikulieren und habe gedacht: „Jetzt machst du das in den Schulen“. Die müssen wissen, die junge Generation, was damals passiert ist, denn die dirigieren und gestalten einmal dieses Land und da verspreche ich mir sehr viel davon, da so etwas nie mehr in unserem Land passieren darf.

Es kommt doch darauf an, in welcher Art und Weise man den Leuten beibringt was geschehen ist. Das könnte sie in vielen Variationen machen. Ich habe die gute Seite gewählt, die Versöhnungsseite und ich wollte Versöhnung haben. Ich wollte keinen Hass haben, aber Aufklärung, das musste sein, aber ohne Hass und ohne Anklage.

Was sich den jungen Menschen sagen wollte: Ich möchte sagen, wenn wir hassen verlieren wir. Die Liebe ist das allerhöchste der Gefühle. Denn die Liebe ist uns alles. Es ist ein, ein wie, wie ein kleines, wie ein Juwel. Ohne Liebe kann der Mensch nicht leben. Wenn er ohne Liebe ist, dann ist er zu allem fähig, weil er nicht mehr weiß, was gut und böse ist. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen. So etwas darf nie wieder in unserem Land geschehen, denn wenn wir sowas zulassen, aber ich glaube nicht.

Wir leben heute in einem freien demokratischen Staat und jeder darf seine Rechte vorbringen, wenn er weiß, mir ist unrecht getan worden dann darf er hingehen und sagen. „Hier, hallo das können sie nicht machen.“ Wissen Sie, ich finde freier wie heute haben wir Sinti noch nie gelebt. Wir haben unsere Freiheit, wir sind genauso viel wert wie jeder Bürger und das ist ausschlaggebend für mich.

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