2 August 2024

Romani Rose

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Rede anlässlich des Holocaust-Gedenktages der Sinti und Roma am 2. August 2024

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

wir erinnern heute an die 4.300 Sinti und Roma, die auf den Tag genau vor 80 Jahren, in Auschwitz in der Nacht vom 2. auf den 3. August ermordet wurden. Es waren zu diesem Zeitpunkt die letzten Angehörigen unserer Minderheit in diesem Vernichtungslager, die trotz ihres erbitterten Widerstandes von der SS in die Gaskammern getrieben wurden.   

In Erinnerung hat das Europäische Parlament 2015 den 2. August zum Europäischen Holocaust Gedenktag für Sinti und Roma erklärt.   

Orte wie Auschwitz, Majdanek, Treblinka, Jasenovac, Bergen-Belsen, Buchenwald und Dachau sind zu den größten Friedhöfen unserer Minderheit in Europa geworden.   

Auschwitz steht als Symbol für den Holocaust, den die Nazis an 500.000 Sinti und Roma und 6 Millionen Juden im NS-besetzten Europa vom Kleinkind bis zum Greis begangen haben, nur auf Grundlage ihrer Abstammung. Es gibt unter uns Sinti und Roma kaum eine Familie, die mit dem Namen „Auschwitz“ nicht die Ermordung ihrer Angehörigen verbindet. 

Erinnern an den Holocaust ist keine Schuldübertragung auf heutige Generationen, es bedeutet aber, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen für Demokratie und Rechtsstaat.   

Der verbrecherische Angriffskrieg der Nazis hat vor knapp 80 Jahren Europa in Schutt und Asche gelegt und unseren gesamten Kontinent in den Abgrund gerissen.  

Die diesjährigen Wahlergebnisse des Europäischen Parlaments führen uns nochmals deutlich vor Augen, dass Europa in einer besorgniserregenden Krise ist. Der Nationalismus bietet den Menschen in ihrer Verunsicherung und mit ihren Ängsten einfache Lösungen. Aus der Erfahrung der Geschichte wissen wir, dass dabei immer Minderheiten zu Sündenböcken gemacht werden. 

Fassungslos hat uns die geheime Konferenz der extremen Rechten in Deutschland im vergangenen November gemacht, bei der die Deportation von mehr als einer Million Menschen, auch mit deutschem Pass, besprochen wurde. Diese Fantasien erinnern Millionen von Menschen in Europa an die Rassenideologie der Nazis, die die Zugehörigkeit zu ihrem Nationalstaat von Blut und Boden abhängig machten.  

Die Vorstellung von der Renaissance eines völkischen Staates zeigt die Skrupellosigkeit dieser Nationalisten, die ungebrochen an ihrem menschenverachtenden Rassismus festhalten und sich damit gegen unser friedliches Zusammenleben in Deutschland und Europa stellen.  

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Millionen von Menschen, die von den Nazis ermordet wurden, haben ein Vermächtnis hinterlassen, dass sich die Weltgemeinschaft frühzeitig jeder verbrecherischen Ideologie entgegenstellen muss. 

Deshalb möchte ich zum Abschluss meiner Rede hier an diesem Ort an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom Dezember 1948 erinnern, in der es heißt, ich zitiere: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Die Erfahrung aus der Nazi-Herrschaft verpflichtet uns, diese Würde und diese Rechte überall und für jeden zu verteidigen.  

Wir wissen, dass tausende Menschen jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken und wir wissen, dass Tausende in der Wüste von Tunesien und Libyen ausgesetzt werden. Wir wissen auch, dass kein Land die Probleme von Krieg, Hunger und Umweltkatastrophen allein lösen kann. Wir appellieren an die Politik, die Kraft ihres Handelns auf das Überleben der Menschheit in Frieden zu konzentrieren.  

Papst Franziskus hat in der Flüchtlingskrise im Juli 2013 die Insel Lampedusa besucht. Er sagte dort, ich zitiere: „Die Globalisierung der Gleichgültigkeit hat uns die Fähigkeit zu weinen genommen.“ Das Vermächtnis der Opfer von Auschwitz verbietet es uns, diese Gleichgültigkeit zu akzeptieren.

 

Stellungnahmen 2024

Piotr Cywinski

Direktor des Staatlichen Museums und der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau

Website erstellt von

Website unterstützt von

Veranstaltung unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments

Kofinanziert von der Europäischen Union und kofinanziert und durchgeführt vom Europarat

In Zusammenarbeit mit