Demonstration vor dem Bundeskriminalamt im Januar 1983; im Vordergrund Ranko Brantner, Anton Franz, Romani Rose; Foto: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma.
Proteste gegen polizeiliche Sondererfassung
Die versäumte Auseinandersetzung in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Völkermord an Sinti und Roma hatte dazu geführt, dass einstige NS-Täter unbehelligt blieben, insbesondere im Polizeiwesen. In diesem Bereich war der Rassismus gegenüber Sinti und Roma noch Jahrzehnte nach Kriegsende allgegenwärtig. Die bereits im Kaiserreich etablierte Sondererfassung der Sinti und Roma war nach 1945 durch „Landfahrerstellen“ der neu eingerichteten Landeskriminalämter fortgeführt worden. Das Bundeskriminalamt hatte noch Ende der 1960er-Jahre einen „Leitfaden für Kriminalbeamte“ veröffentlicht, in dem die Verfasser im NS-Jargon die weitere Sondererfassung von Sinti und Roma begründeten. Polizeizeitungen, Fahndungsaufrufe und Pressemitteilungen waren geprägt von antiziganistischen Vorurteilen.
Im Juni 1982 beschloss die Innenministerkonferenz, die Sondererfassung der Minderheit unter dem Kürzel „ZN“ für „Zigeunername“ trotz der Proteste der Bürgerrechtsbewegung beizubehalten. Deshalb demonstrierten Sinti und Roma im Januar 1983, am 50. Jahrestag der NS-Machtübernahme, vor dem Bundeskriminalamt. Unter den 250 Demonstranten aus dem ganzen Bundesgebiet waren auch KZ-Überlebende. Anschließend begaben sich die Demonstrationsteilnehmer auf einen Marsch durch die Wiesbadener Innenstadt zum Hessischen Innenminister, dem damaligen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz. In nachfolgenden Gesprächen sagten der Innenminister und das Bundeskriminalamt dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eine umgehende Streichung der „ZN“-Sondererfassung zu. Jedoch wurde dies von den Polizeibehörden wieder unterlaufen durch die Umbenennung des Datenfeldes „ZN“ in „HWAO“ für „Häufig Wechselnder Aufenthaltsort“. Bis heute werden immer wieder Falle von derartiger Sondererfassung durch die Polizeibehörden bekannt. Der Zentralrat fordert deshalb eine eindeutige Absage der Innenministerkonferenz an jede Form der Sondererfassung.
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