2. August 2021
Dr. Astrid Ley
Stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen
Statement anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktages für Sinti und Roma 2020
Mein Name ist Astrid Ley, ich bin stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen.
Gerne beteiligen wir uns am Europäischen Gedenktag für Sinti und Roma. Es ist uns sehr wichtig, die Erinnerung an die NS-Verbrechen gegen diese und andere Minderheiten wachzuhalten, auch um gegen Rassismus in unserer heutigen Gesellschaft Stellung zu beziehen.
Über tausend Sinti und Roma wurden zwischen 1936 und 1945 ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Ich stehe hier vor einer der Baracken des Lager-Krankenbaus, wo sich eine Ausstellung zu nationalsozialistischen Medizinverbrechen befindet. Ein Raum widmet sich den Abstammungsgutachten über Sinti und Roma, die Mitarbeiter der sogenannten "Rassenhygienischen Forschungsstelle" unter dem Psychiater Robert Ritter erstellten.
Hauptziel der Gutachten war, alle im Reichsgebiet lebenden Sinti und Roma zu erfassen. Bei den "rassenbiologischen Untersuchungen" wurden Blutproben entnommen und Gesichter sowie Körper mit speziellen Instrumenten vermessen, um physiognomische – also äußerliche – Besonderheiten zu dokumentieren. Darüber hinaus sammelten die Forscher Informationen über Verwandtschaftsbeziehungen und stellten die Ergebnisse für jede Großfamilie in sogenannten Erbtafeln zusammen.
Diese Unterlagen dienten der Polizei später als Grundlage für die Erstellung der Deportationslisten, nach denen hunderttausende im Reichsgebiet lebende Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt wurden. Die meisten von ihnen wurden dort ermordet.
Die Mitarbeiter der Forschungsstelle haben also beim Genozid an den Sinti und Roma eine zentrale Rolle gespielt: Ohne ihre Erfassungsarbeit wäre eine systematische Deportation der deutschen Sinti und Roma nicht möglich gewesen. Dennoch wurde keiner der Wissenschaftler später vor Gericht gestellt, da sie – wie es zur Verteidigung hieß – ja "lediglich geforscht" hätten. Dass sie dennoch eine erhebliche Mitschuld am Genozid an den Sinti und Roma tragen, ist eines der Themen, die wir hier in der Ausstellung mit angehenden Ärzten und Krankenpflegern erarbeiten. Damit wollen wir Angehörige medizinischer Berufe mithilfe der NS-Geschichte für heutige medizinethische Probleme sensibilisieren.
Stellungnahmen

Romani Rose
Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma

Katarina Barley
Vice President of the European Parliament

Helena Dalli
EU-Kommissarin für Gleichstellung

Mehmet Daimagüler
Dr. Mehmet Daimagüler, Antigypsyism Commissioner of the Federal Government

Roberta Metsola
Roberta Metsola, President of the European Parliament

Claudia Roth
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

Paul Blokhuis
Dutch State Secretary Paul Blokhuis

Chris J. Lazaris
Amb. Chris J. Lazaris, IHRA Chairman

Fernand des Varennes
UN-Sonderbeobachter für Minderheitenfragen

Anna-Nicole Heinrich
President of the Synod of the Evangelical Church in Germany (EKD)

Justin Trudeau
Prime Minister of Canada

Roman Kwiatkowski
Vorsitzender der Gesellschaft der Roma in Polen

Erich Schneeberger
stellv. Vorsitzender des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma und Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Bayern

Timea Junghaus
Executive Director
European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC)

Adam Strauß
Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Hessen

Manon Aubry
Manon Aubry, MEP

Adrian-Nicolae Furtuna
Historian at the University of Bucharest

Philomena Franz
Holocaust-Überlebende

Angelina Kappler
German former Weinkönigin

Marian Kalwary
Chairman of the Association of Jews,
Survivors and Victims of the Second World War